Pseu­do-Fi­brin

Fibrin ist bereits seit Jahrzehnten Gegenstand der Forschung und noch immer werden zahlreiche neue Erkenntnisse über dieses Protein gewonnen. Vor allem durch seine Rolle als Blutgerinnungsprotein kommt Fibrin eine wichtige Rolle in der medizinischen Forschung zu. Aber auch dessen Einsatz als Material wird immer stärker untersucht. Fibrin-basierte Materialien sind bekannt für ihre hervorragende Biokompatibilität und interessanten mechanischen Eigenschaften. Nicht zuletzt auch wegen seiner Hydrogel-Natur ist Fibrin daher als vielfältig einsetzbares Material vor allem in der Medizintechnik relevant. Potentielle Anwendungen reichen dabei von einem Einsatz als Klebstoff bis hin zur Verwendung bei der Gewebezüchtung oder als Substrat im Bio-printing.

Der Grund für dieses vielfältige Eigenschafts-Spektrum ist Fibrins Netzwerk-Struktur, welche durch einen enzymatischen Prozess entsteht. Das hierfür benötigte Enzym – Thrombin – ist jedoch gleichzeitig der entscheidende Punkt, weshalb dringend Ersatz für klassische fibrinbasierte Materialien erforderlich ist. Neben den hohen Produktionskosten und ungünstiger Kinetik ist vor allem das Thromboserisiko, falls freies Thrombin in die Blutbahn gelangt, ein erhebliches Problem.

Um dennoch das Potential dieser Materialklasse nutzen zu können, erforschen wir neue Materialien auf Basis des Precursors Fibrinogen. Fibrinogen ist, wie Fibrin, bekannt für seine hervorragende Biokompatibilität. Die zur Nutzung als Material notwendige Faserbildung (Fibrillogenese) ist bisher jedoch nur mit sehr komplexen Methoden oder substratgebunden möglich. Durch eine von uns entwickelte Methode gelingt es erstmals, Fibrillogenese unmittelbar in Lösung ohne den Einsatz von Enzymen oder drastischen Bedingungen zu induzieren. Hieraus bilden sich durch Selbstassemblierung stabile Hydrogele heraus, welche durch Lyophilisation problemlos in hochporöse Aerogele mit hervorragender mechanischer Flexibilität überführt werden können.

Dieser Prozess wird nicht nur deutlich schneller initiiert als der enzymatische, sondern die so erzeugten Hydro- und Aerogele besitzen außerdem eine nahezu identische Struktur wie Fibrin. Dies ist bisher mit keiner anderen Methode zur Fibrinogen-Faserbildung gelungen. Aufgrund dieser strukturellen Ähnlichkeiten zu Fibrin bezeichnen wir unser Material auch als „Pseudo-Fibrin“. In unserer aktuellen Forschung beschäftigen wir uns damit, die Materialeigenschaften von Pseudo-Fibrin weiter zu optimieren, Anwendungspotentiale zu erschließen und die zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen.