Korngrenzenselektive Adsorption von Polymeren zur Korrosionsschutzoptimierung
Die vorliegende Studie verfolgte einen umfassenden experimentellen Ansatz die im Korrosionsprozess elektrochemisch aktiven Schwachstellen auf feuerverzinktem (HDG) Stahl zu identifizieren und Materialien selektiv auf diesen Stellen abzuscheiden um diese dadurch zu inhibieren.
Im ersten Teil dieser Studie wurden hochauflösende Oberflächenanalysemethoden angewendet um die Elementzusammensetzung und die elektrochemisch aktiven Stellen auf solchen heterogenen Oberflächen zu untersuchen. Mittels der Rasterelektronenmikroskopie und der energiedispersiven Röntgenspektroskopie konnte gezeigt werden, dass sich Aluminium aus der Feuerverzinkungslegierung (ZnAl 0,5 gew.-%) neben der Segregation an die Zink/Eisen- und Zink/Luftgrenzfläche sich bevorzugt an den Korngrenzen der feuerverzinkten Stahloberflächen anreichert. Die Raster-Kelvinsonde-Kraftmikroskopie detektierte einen Unterschied im elektrochemischen Potential von Korngrenzen zu den Kornflächen. Dieser Potentialunterschied bestätigte die anodische Auflösungsreaktion der Korngrenzen-strukturen. Im abschließenden Korrosionstest an einem lackierten Substrat konnte gezeigt werden, dass ausgehend von der aktiven Korrosionsfront eine korrosive Schädigungen entlang der Korngrenzen von bis zu 200 µm unter den noch intakten Grenzflächenbereich zwischen Beschichtung und Substrat auftritt.
Aus diesen Ergebnissen wurde ein Modell mit zwei verschiedenen Korrosionswegen für das Fortschreiten der Korrosionsfront entlang dieser Grenzfläche entwickelt. Zunächst schreitet die Lokalanode schnell entlang der Korngrenzen voran und wird begleitet von dem komplementären kathodischen Bereich. Die nachfolgende Hauptkorrosionsfront kann somit schneller auf dem vorgeschädigten Substrat voranschreiten. Ausgehend von diesem Modell würde eine Inhibierung der Korngrenzenkorrosion auch eine Verlangsamung der Hauptkorrosionsfront mit sich bringen.
Im zweiten Teil dieser Studie wurden Materialien für die gezielte Adressierung an die Korngrenzen synthetisiert und untersucht. Als Steuerungselement wurde hierfür das anodische Auflösungsverhalten der Korngrenzen und die damit verbundene lokale Freisetzung von Aluminiumkationen angewendet. Unter den zunächst untersuchten klassischen Techniken wie Phosphatierung und spontane Oberflächenpolymerisation zeigte die autophoretische Polymerabscheidung die vielversprechendsten Ergebnisse bezüglich der Selektivität des Abscheidemechanismus. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden Blockcopolymer-Dispersionen mit funktionalen Haftgruppen für oxidische Substrate (Carboxyl-, Phosphonsäure und Triethoxysilan) für die gezielte Korngrenzenapplikation synthetisiert. Die Abscheidung dieser Polymerdispersionen an den Korngrenzen konnte durch die kontrollierte Freisetzung von Aluminiumkationen im pH-Wertbereich 2,5 - 4,0 erfolgen. Die Destabilisierung der Dispersionspartikel durch dreiwertige Aluminiumkationen führte schließlich zur selektiven Belegung der korrosiven Schwachstellen. Die abschließenden Korrosionstests zeigten eine drei- bis zwanzigfache Verringerung der Schädigung entlang der Korngrenzen, wenn diese gezielt mit den synthetisierten Blockcopolymeren belegt und somit inhibiert wurden.
Es konnte gezeigt werden, dass unbehandelte Korngrenzen auf HDG-Stahl eine verstärkte Korrosionsaktivität aufweisen, welche durch die gezielte Applikation geeigneter Polymere exklusiv an diesen Schwachstellen herabgesetzt werden kann. Dieses Konzept für selektiven Korrosionsschutz birgt ein hohes Potenzial als Strategie zur ressourcenschonenden und umweltfreundlichen Vorbehandlung von Stahloberflächen.